28. März 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog
Eisengallustinte mit Federhalter

Eisengallustinte – historisch und dokumentenecht

Wir waren gestern auf dem skandinavisch- historischen Markt im Marschenhaus in Bremerhaven. Es gab unter anderem einen Stand für historische Schreibgeräte. Es blieb nicht aus, dass ich mir eine Kleinigkeit mitgenommen habe. Meine Wahl fiel auf ein Fläschen Eisengallustinte. Ein interessantes und historisches Mittel für dokumentenechte Handschriften.

Die Gallustinte, auch Eisengallustinte, ist eine der ältesten überlieferten schwarzen Schreibtinten. Sie ist dokumentenecht, seit dem dritten Jahrhundert vor Christus bekannt und gut mit Handschriftfedern nutzbar. Für Füllfederhalter ist die Eisengallustinte nicht geeignet, da sie ausflocken und damit den Füllfederhalter verstopfen kann.

Herstellung der Eisengallustinte

Bereits zur Entstehung der ersten Gallustinte enthielt die Mischung Eisenvitriol, Galläpfel oder Pflanzengallen, Wasser und Gummi arabicum. Zu erst wurden die getrockneten Galläpfel zerstampft oder zerkleinert und anschließend in Wasser zerkocht. Dabei entsteht die sogenannte Gallussäure aus dem in den Galläpfeln enthaltene Tannin.

Im nächsten Schritt kommt das Eisenvitriol und das Gummi arabicum dazu. Das Gummi arabicum dient als Bindemittel, sorgt für einen guten Fluss und die bessere Schreibbarkeit der Tinte. Zusätzlich wird eine Ausflockung verhindert und die Gallustinte teilweise konserviert. Durch luftdichten Verschluss kann die Tinte zusätzlich konserviert und besser vor Ausflockungen geschützt werden.

Funktionsweise der Gallustinte

Die frisch hergestellte Eisengallustinte ist bei sauberer Verarbeitung leicht grau und wird erst auf dem Papier schwarz.

Schriftprobe nach wenigen Minuten

Wer das erste Mal Gallustinte verwendet stellt fest, dass das Schriftbild mit der Zeit deutlich dunkler wird.

Dies liegt an der chemischen Reaktion, die der Eisengallustinte zu Grunde liegt. Das zweiwertige Eisen des Eisenvitriol oxidiert an der Luft zu dreiwertigem Eisen und bildet mit der Gallussäure eine tiefschwarze Komplexverbindung. In der Regel dauert dies etwa einen Tag. In meinem Praxistest ist ein Unterschied erkennbar, wenn auch nicht so eindeutig.

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Schriftprobe nach einigen Stunden

Wenn die Tinte nicht mehr stark nachdunkelt, kann dies an zwei verschiedenen Fehlern liegen. Das Verhältnis zwischen Eisenvitriol und Gallussäure ist unausgeglichen oder aber die Tinte wurde nicht luftdicht gelagert und die Komplexverbindungen haben sich bereits in der Tinte gebildet.

Eisengallustinte verblasst unter ungünstigen Bedingungen im Laufe der Zeit. Das Schriftbild kann mit einer Lösung von Kaliumhexacyanoferrat(II) mit überschüssiger Salzsäure wieder sichtbar gemacht werden. Beispielsweise bei der Restauration von alten Skripten ist dieses Verfahren sehr effektiv.

Besondere Merkmale

Eisengallustinte
Detail des Schriftbildes zeigt die Randbildung der Eisengallustinte

Das Schriftbild der Gallustinte zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Die Ränder sind in der Regel dunkler als die Mitte der Buchstaben. Es bilden sich zum Teil regelrechte Übergänge von grau bis schwarz aus.

Im Gegensatz zu gebräuchlichen und handelsüblichen Tinten aus industrieller Fertigung, ist die selbstgemachte Eisengallustinte flüssiger und ermöglicht ein schnellere Handschrift. Die Textur braucht daher aber ein kräftigeres Papier mit einem höheren Anteil langfaseriger Cellulose.

Die Tinte enthält keine Pigmente wie etwa Ruß und ist folglich auch auf rauhen Papier abriebfest. Ein weiterer Vorteil ist es, dass durch die Säure in der Tinte das Papier die komplexen Verbindungen sehr gut aufnehmen kann.

Diese beiden Besonderheiten der Eisengallustinte sorgt dafür das die Schrift bei guten Bedingungen sehr lange beständig ist. Im weitesten Sinne ist die Gallustinte die erste dokumentenechte Schreibtinte der Geschichte.

Traditionelles Rezept zur Herstellung einer eigenen Eisengallustinte

  • 60 Teile zerstoßene Galläpfel
  • 32 Teile Gummi arabicum
  • 32 Teile Eisenvitriol
  • 50 Teile unverdünnter Holzessig ((Acetum lignorum))
  • 950 Teile Wasser

In einem säure- und hitzebeständigen Gefäß übergießt man die zerstoßenen Galläpfel mit der Hälfte des Wassers und erhitzt vorsichtig bis zum Kochen. Der Ansatz wird ständig gerührt und mindestens 10 Minuten bei geringer Temperatur gekocht.

Im übrig gebliebenen Wasser löst man das Eisenvitriol, das Gummi arabicum und den Holzessig. Das Acetum lignorum sorgt für eine bessere Vermischung der Zutaten und verhindert das vorzeitige Ausflocken der komplexen Verbindungen von Gallsäure und dreiwertigen Eisen.

Ist der Ansatz der Galläpfel abgekühlt, kommt die Eisenvitriollösung hinzu. Die Mischung deckt man nun ab und lässt es sechs bis acht Wochen ziehen. Es muss täglich umgerührt werden und die Lösung darf in dieser Zeit nicht luftdicht verschlossen werden.

Die nun entstandene Tinte sollte anschließend einige Tage ruhig stehen. Der Rückstand der Galläpfel sinkt zu Boden und die Eisengallustinte kann abgezogen werden. Die nun fertige Tinte füllt man in luftdicht schließenden Gefäßen. Der Rest kann für einen neuen Tintenansatz mitbenutzt werden.

WICHTIGER HINWEIS: Bei der Umsetzung dieses Rezeptes müssen die üblichen Sicherheits- und Entsorgungsvorschriften eingehalten werden, die in der einschlägigen Literatur nachgelesen werden können. Das Anwenden dieses Rezeptes erfolgt auf eigene Gefahr! Der Umgang mit Chemikalien setzt immer große Sorgfalt voraus.

Gut zu Wissen

Galläpfel werden auch als Eichengalle und Eichengallapfel bezeichnet und sind eine Variante der Pflanzengallen. Die Gallen entstehen meist im Herbst an der Unterseite von Eichenblättern. Besonders häufig ist die Art Quercus infectoria Olivier betroffen. Die Ursache für die Galläpfel sind die abgelegten befruchtete Eier der Gemeinen Eichengallwespe ((Cynips quercusfolii)). Nach dem Einstich nur die Wespe findet in der Eichenpflanze eine Abwehrreaktion statt. Um die Lagestelle der Eier entsteht eine krankhafte Wucherung. Die entstehende Kugelform gibt dem Gebilde den Namen Gallapfel.

Eisenvitriol ist eine triviale Bezeichnung für das Eisen(II)-sulfat. Das, auch als Grünsalz benannte, Eisenvitriol ist ein zweiwertiges Eisensalz der Schwefelsäure. Von der grünlichen Farbe des Salzes, wenn es Wasser beispielsweise aus der Luft aufnimmt, leitet sich der Name Grünsalz ab. Bei der Verwendung sollte man alle empfindlichen Materialien schützen, denn das Eisenvitriol färbt stark ab.

Gummi arabicum ist ein Harz aus dem Pflanzensaft von verschiedenen, in Afrika verbreiteten Baumarten, wie beispielsweise: Senegalia senegal, Vachellia nilotica oder auch Vachellia seyal

Holzessig auch Holzsäure genannt, entsteht bei der trockenen Destillation von Holz. Der Holzessig ist eine braune, sauer und scharf, nach Holzkohle riechende, wässerige Flüssigkeit ((Schwelwasser)) und enthält gelöste organische Stoffe, hauptsächlich Essigsäure.

Weitere Hinweise für die eigene Eisengallustinte

Für gute Ergebnisse bei der Herstellung der eigenen Eisengallustinte empfehle ich Holzsäure mit 8 bis 12 % Essigsäure, maximal 5 % Methanol, mindestens 1 % Aceton, 1 % Methylacetat und 10 % gelöstem Holzteer.

Enthält der Holzessig mehr als 15 % Essigsäure kann einfaches billiges Papier zu leicht angegriffen werden und das Schriftbild unsauber werden.

Ausserdem können Schreibfeder aus Messing, Eisen oder Kupfer stark angegriffen werden, wenn der Säuregehalt hoch ist. Am besten verwendet man Stahlfedern. Was der Nachteil für empfindliche Metalle ist, kann gerade bei älteren länger nicht benutzen Federn ein Vorteil sein. Durch den sauren pH-Wert der Tinte werden Beläge, die durch Korrosion entstanden sind, gelöst und entfernt.

Bezugsquellen:

Acetum lignorum bekommen Sie bei TBT-Tiergesundheit

Galläpfel gibt es bei Schwarz Weiss Dienstleistungs GmbH

Eisenvitriol oder auch Eisensulfat liefert Farbmanufaktur Werder

Gummi arabicum kann beispielsweise bei Gerstaecker bezogen werden

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Off Topic

Nach einer Textanalyse ist dieser Text zu 44% subjektiv, die wichtigsten Worte sind: Gummi, Füllfederhalter, Gallustinte, Eisengallustinte, Wasser, Galläpfel, Eisenvitriol

Ein Computer würde diesen Text der Kategorie Wissenschaft zu ordnen.

Ja ich weiß ich habe keine schöne Handschrift 🙂

Ein Kommentar

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