28. März 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog

Fukushima – Jahrestag einer Reaktorkatastrophe

Am 11. März diesen Jahres jährte sich die Reaktorkatastrophe von Fukushima das fünfte Mal. Was 130 Kilometer vor der Küste Japans mit einem Seebeben begann, sich in einem Tsunami mit etwa zehn Meter Höhe äußerte und in der Zerstörung mehrerer Reaktorblöcke des Kernkraftwerkes Fukushima Diichi endete, kann als größte Reaktorkatastrophe der neueren Geschichte angesehen werden und ist vergleichbar mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986.

Vergleichbar sind die Ereignisse in Japan und der ehemaligen UdSSR aus verschiedenen Gründen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind beide Vorfälle auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse als höchste mögliche Stufe 7 geführt und sind nach der Klassifizierung gekenntzeichnet durch eine meist komplette Zerstörung der Anlage und einer erheblichen Freisetzung von radioaktiven Material (Äquivalent von > einigen 10.000 TBq von 131Iod). ((http://www-pub.iaea.org/MTCD/Publications/PDF/INES2013web.pdf))

Der Vorfall von Fukushima

Kernkraftwerk Neckarwestheim Markus Lorch / pixelio.deBildnachweis: Markus Lorch / pixelio.de

Um 14:46 Uhr (Ortszeit) während des Hauptbebens wurden erste Schäden an den Reaktorblöcken 1-3 festgestellt und diese vorsorglich heruntergefahren. Die anderen Blöcke des Reaktors waren nicht in Betrieb auf Grund von Wartungsarbeiten. Dieses Vorgehen verhinderte deutlich schlimmere Auswirkungen des Vorfalls. Weitere Nachbeben folgten um 15:08 Uhr, 15:15 Uhr und 15:25 Uhr. Der Tsunami traf mit seiner höchsten Wucht um 15:41 Uhr auf den Küstenstreifen Japans.

Also Folge der Naturkatastrophe fiel in allen sechs Reaktorblöcken die Stromversorgung komplett aus. Die Keller der Reaktoranlage wurden durch die Wassermassen komplett geflutet, die darin befindliche Notstromversorgung war dadurch nicht verfügbar.

Vier der sechs Reaktorblöcke wurden zerstört und die beiden noch laufenden Reaktoren abgeschaltet. Die Höhe der radioaktiven Freisetzungen und der Zerstörungsgrad haben die französische Atomaufsichtsbehörde ASN dazu veranlasst, den Vorfall auf der höchsten Stufe INES 7 als katastrophalen Unfall einzustufen. Als maßgebliche Ursache wurde in den Berichten die mangelhafte Katastrophenvorsorge benannt.

Die politische Situation

Als politische Folge hat die damalige japanische Regierung, verantwortlich war die Demokratische Partei Japans (DJP unter Ministerpräsident Kan, den Ausstieg aus der Kernenergie forciert und den Einsatz erneuerbarer Energien unterstützt. Im Jahr nach dem Unfall waren alle 54 Kernreaktoren Japans abgeschaltet worden und der Untersuchung/ Kontrolle einer unabhängigen Aufsichtsbehörde unterstellt worden.

Energieunternehmen, Verwaltung, Verbände und Kernenergiebefürworter in Regierung und Opposition bilden eine starke Lobby in Japan und werden dort auch als “atomares Dorf” ((https://www.giga-hamburg.de/de/publication/trotz-fukushima-1-japans-%E2%80%9Eatomares-dorf%E2%80%9C-h%C3%A4lt-an-der-nuklearenergie-fest)) bezeichnet. Die Stiftung Japan Atomic Energy Relations Organisation (JAERO), seit 1969 eine Einrichtung des “atomaren Dorfes”, soll das Vertrauen in die Kernenergie und deren Zuverlässigkeit beispielsweise mittels Unterrichtsmaterialien, Manga und Werksbesichtigungen wieder herstellen.

Aufgrund ihres Wahlprogramms plante die Liberaldemokratische Partei im Dezember 2012 mit dem neuen Ministerpräsidenten Abe den Wiedereinstieg in die Kernenergie. Neben der Ausweitung von Wahlmöglichkeiten der Energieversorgung, der Verteilung auf unterschiedliche Energiequellen, bleibt die Kernenergie für Japan ein Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Der Anteil der Kernenergie in Japan vor Fukushima betrug knapp 29% am Energiemix. Zukünftig soll der Anteil der Kernenergie geringer werden und bis 2030 26% erreichen. Die aktuelle japanische Regierung plant den Ausbau erneuerbarer Energien. Deren Anteil soll 22% bis 24% betragen. Zum Vergleich in Deutschland betrug der Anteil der Kernenergie 2011 18 %. Nach dem deutschen Beschluss des Ausstiegs lag der Anteil in 2015 bei 14 % und soll nach dem gestaffelten Ausstieg 2017, 2019 und 2021 im Jahr 2022 vollkommen verschwinden.

Die Wiederinbetriebnahme der japanischen Reaktoren hat begonnen.

Sendai 1 ist als einer der ersten Reaktoren im August 2015 wieder ans Netz gegangen. Im Oktober folgte Sendai 2. Die Prüfung von weiteren 24 Reaktoren für die Wiederinbetriebnahme läuft. Laut der Aufsichtsbehörde haben fünf die Prüfung bereits bestanden und für weitere 16 steht die Prüfung noch an. Nach Informationen der World Nuclear Association plant Japan den Bau von neun neuen Kernreaktoren. Zwei, Ohma und Shimane, sind bereits in der Fertigstellung und für drei weitere liegen bereits konkrete Vorschläge und Pläne vor.

Für die Mehrheit der Bevölkerung Japans ist der Atomausstieg wichtig, sie sehen aber aktuell noch keine Alternative zur Kernenergie für die Stromversorgung ihres Landes. Die vollständige Ablehnung erstreckt sich bisher nur auf kleine und lokale Bündnisse, die Proteste sind aber noch nicht breit und stark genug vernetzt. Viel mehr ist man der Überzeugung, dass die Erfahrungen aus Fukushima und die Aufarbeitung der Vorfälle zur Konstruktion von neuen und sicheren Generationen von Kernkraftwerken führen kann.

Die weltweite Situation

2011 gab es 435 Kernreaktoren im aktiven Betrieb, aktuell sind es 442 Kernreaktoren. In 32 Staaten der Erde gibt es Kernkraftwerke. Als Hauptproduzenten von Kernenergie gelten die Staaten USA, Frankreich, Russland, Südkorea und China. 26 neue Reaktoren sind seit 2011 im Bau befindlich oder sind kurz vor der Inbetriebnahme.

Der weltweite Anteil von Kernenergie liegt bei 10% am Energiemix.

Durch den andauernden Betrieb, der Kernenergie ist auch mit dem Anstieg radioaktiver Abfälle zu rechnen. Bis heute gibt es weltweit kein Endlager für hochradioaktive Abfälle, d.h.: bei keinem der bekannten Lager ist davon auszugehen dass die Abfälle mindestens eine Million Jahre sicher verwahrt werden können. Die meisten Forscher favorisieren Lagenstätten bei denen ein langfristiger Abschluss zur Biosphäre möglich sind, dazu zählen unter der Erde liegende Salz-, Ton- oder Gesteinsschichten. Als Herausforderungen werden dabei die komplexen Wechselwirkungen zwischen geologischen Strukturen und eingelagerten hochradioaktiven Abfällen betrachtet.

Erfahrungen

Die Fukushima Katastrophe hat mehr als deutlich gezeigt, dass trotz aller technischen Vorsorge der Betrieb von Kernreaktoren weiterhin mit einem hohen Restrisiko verbunden ist. Nach dem Stand von Wissenschaft und Technik kann solch ein Vorfall nicht ausgeschlossen werden. Ein restriktiver Ausstieg aus der Kernenergie ist daher aus meiner Sicht alternativlos.

zum Weiterlesen:

  • Arnold, M., Fitze, U., (2015). „Die strahlende Wahrheit“, rüffer & rub Sachbuchverlag GmbH, Zürich, 2015
  • Doege, F., Köllner, P. (2011). „Trotz Fukushima-1: Japans „atomares Dorf“ hält an der Nuklearenergie fest“, GIGA Focus 5/2011
  • Kevenhörster, P. (2015). „Fukushima ohne Folgen?“ ZfP Zeitschrift für Politik, Jahrgang 62, Heft 2, 2015
  • International Atomic Energy Agency (IAEA) (2015): “Nuclear Power Reactors in the World”, No. 2, 2015
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). „Entwicklung der Energiemärkte-Energiereferenzprognose“ Projekt Nr. 57/12 – Schneider, M. et al. (2015). “World Nuclear Industry Status Report 2015”
  • Statista (2016). „Stromerzeugung aus Kernenergie weltweit in den Jahren 1985 bis 2014“ und „Anteil der Energieträger an der Bruttostromerzeugung in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2015“
  • Széll, G., Czada R. (2013). „Fukushima – Die Katastrophe und ihre Folgen“, Band 29, Peter Lang, Frankfurt/a.M., 2013
  • Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH (2015). „Fukushima Daiichi, Unfallablauf Radiologische Folgen“, „Virtuelles Untertagelabor VIRTUS“

Bildquellen

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